Exotenbonus

– oder wie Kirche lernen kann von Künstlern, Narren und Poeten.


Die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ hat der christliche Glaube, der glaubende Mensch längst verlassen. Gläubig zu sein und das auch öffentlich zu äußern, ist nicht mehr selbstverständlich, sondern vielmehr exotisch.
Der bekennende Christ und Katholik ist zum Exoten geworden.
Kirchen und kirchliche Mitarbeiter arbeiten verzweifelt gegen diese Entwicklung an, investieren all ihre Mittel und Kraft, um wieder spannend zu werden- und geben erschöpft und pleite auf.

Eine andere Perspektive:
Welche Chancen könnte diese neue Außenseiterposition bergen, anders gefragt: was könnte der EXOTENBONUS sein?

Wir befragen in diesem Projekt Menschen, die seit jeher außerhalb der Mitte stehen, deren Arbeit aber aus der Mitte der Verkündigung nicht wegzudenken ist: wir fragen Künstler, Narren und Poeten.
Kirche und Künstler nämlich sind einander keine Unbekannten.
Über Jahrhunderte hinweg war die Kirche unterschiedlichsten Künstlern Brot- und Arbeitgeber. Im Gegenzug dafür schufen Künstler die botschafterischen Vehikel – in Form von Kunstwerken – die die Kirche erst zu dem gemacht haben, was sie lange war: Kern und Kanon unserer abendländischen Kultur. Denn keine sonntägliche Predigt und keine lehramtliche Verlautbarung haben das Evangelium Christi so tief in die DNA unserer Gesellschaft eingeprägt wie es zigtausende Werke aus Holz, Pergament, Bronze, Stein, Papier, Gold und Textil getan haben. Die Frohe Botschaft wurde transportiert über unzählige Töne, Hammerschläge und Arpeggien, Pinselstriche, Atempausen und Albertibässe, Pflanzensude, Farbschalen und Königswasser, Darmsaiten, Paukenhäute, Rohrblätter und Schleudergüsse- und über Hände, Werkzeug und Fantasie der Künstler. Detailreich finden wir in der Heiligen Schrift, v.a. im Ersten Testament, kunsthandwerkliche Techniken, Materialien und Gestaltungskonzepte beschrieben. Es scheint also nicht nur um Ästhetik zu gehen, wenn die Autoren der Bibel über Material, Haptik und Verarbeitungsdetails schreiben.

Wie aber arbeiten Künstlerinnen und Künstler genau, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen? Zwischen Idee und Wirkung (Werk) erstreckt sich das weite Feld der Technik, und genau darum geht es in diesem Projekt. Wir wollen selbst mit Werkzeugen hantieren und uns von den Künstlern anleiten lassen.


Als Beispiele für die Herangehensweise mögen zwei kurze Einblicke dienen.

Eine Musikerin berichtet: wenn (in einer Orchesterprobe) ein Auftakt wieder und wieder nicht richtig zusammen ist, dann lohnt es sich, den letzten Takt DAVOR zu untersuchen. Ist Form und Ende des letzten Tones ganz klar? Ist das Atemholen danach klar in Tempo und Richtung? Ist erst dieser vorhergehende Takt abgestimmt und in seiner genauen Form geklärt, wird auch der darauffolgende Auftakt ganz sicher zusammen sein.

Ein Maler rät: wenn du diese Birke zeichen willst, dann versuche nicht, jedes einzelne Ästchen und jedes einzelne Blättchen abzubilden. Kneif stattdessen die Augen zusammen und schau nochmal neu: versuch, die ganze Birke vor dir zu sehen, die Gesamtheit der Birke auf einen Blick. Dann nimm den Stift und versuch genau das aufs Blatt zu kriegen, die Gesamtheit der Birke, nichts anderes, mit wenigen Strichen.

Welche Ideen entstehen aus Erzählungen wie diesen? Was haben sie mit der eigenen Verkündigungsaufgabe zu tun? Und welche Auswirkungen ergeben sich auf unser Empfinden von Innen, Außen, Exotik oder auch Tradition in der Kirche? Im praktischen Ausprobieren und im reflektierenden Gespräch mit den Künstlern möchte das Projekt „Exotenbonus“ diesen Fährten nachgehen. Der Ausgang ist offen.

Organisatorisches: Es werden 4 Workshops (einer pro Quartal) von je einem ganzen Samstag (10-18 Uhr) geplant. Begegnung und praxisbezogenes Gespräch, sowie praktisches Arbeiten mit einer künstlerischen Technik unter Anleitung des Künstlers. Reflexion. Eventuell Präsentation der Ergebnisse in der Gemeinde in Absprache mit den Teilnehmenden. Verpflegung: gemeinsame warme Mahlzeit in der Mittagszeit, zuzüglich Kaffee, Gebäck und Getränke zwischendurch. Die vorherige Kontaktaufnahme, inhaltliche Vorbereitung, theologische Verortung, Organisation und Werbung findet durch mich in Zusammenarbeit mit dem Künstler/ der Künstlerin statt.

Das Projekt befindet sich derzeit in der Entwicklung. Bei Interesse, Fragen oder guten Ideen wenden Sie sich gerne jederzeit an Ursula Ros.

Katholisch im Hamburger Westen

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