Der Weg zur Pfarreigründung

Die Entstehung des Pastoralen Raums Hamburger Westen

 In den Jahren nach der Gründung des Erzbistums Hamburg (1995) hatte sich ein tiefgreifender Wandel vollzogen. Die Zahl der Gottesdienstbesucher ging zeitweise zurück, die  Kirchenaustritte nahmen zu. Vor allem aber wurde deutlich, dass es künftig nicht mehr genug Priester geben würde, um die mehr als 80 Pfarreien des Erzbistums zu besetzen.

Im Jahre 2009 entschied sich daher Erzbischof Dr. Werner Thissen für die Zusammenfassung von Pfarreien in sogenannten Pastoralen Räumen. Damit sollten aber nicht nur die Personalprobleme gelöst, sondern „die Zusammenarbeit vieler kirchlicher Akteure mit unterschiedlichen Aufgaben in einer Region“ gefördert werden.[1]

Die Entwicklung im Dekanat Altona führte die Notwendigkeit solcher Eingriffe in die überkommenen Strukturen deutlich vor Augen:

In St. Petrus Finkenwerder stand zum Jahreswechsel 2000/2001 die Pensionierung von Pfarrer Hellmut Tourneau bevor. Da ein Nachfolger nicht zur Verfügung stand, entschloss man sich, der Pfarrei St. Marien-Altona als Filialgemeinde beizutreten.[2

Ähnlich in St. Paulus-Augustinus. Nachdem Pfarrer  Martin Min im September 2006 in den Ruhestand gegangen war, wurde die Pfarrei zum Ende des Jahres aufgehoben und mit Maria Grün zusammengeschlossen.[3]

Ende 2014 wurde auch die Pfarrei St. Bruder Konrad aufgelöst und nach Maria Grün umgepfarrt.[4]

Als schließlich 2014 der Pfarrer von St. Marien/Finkenwerder, der Franziskanerpater Hermann-Josef Lentze aus Altersgründen und ohne Nachfolger ausschied, war eine grundlegende Neuordnung der Pfarreistrukturen nicht länger zu umgehen.

Schon seit 2012 hatte man in St. Marien intensiv über die Frage diskutiert, in welche Richtung man sich bei der Zuordnung zu einem Pastoralen Raum entscheiden solle: Wegen der Grenzlage der Gemeinde standen entweder die „City-Gemeinden“ im Osten (St. Joseph, Kleiner Michel, Mariendom, St. Sophien) oder Blankenese im Westen mit Maria Grün, St. Paulus-Augustinus und St. Bruder Konrad zur Auswahl. Letztlich votierten Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat von St. Marien/Finkenwerder in einer gemeinsamen Sitzung am 7. Mai 2014 für eine Westorientierung.[5] Das Erzbistum folgte dieser Empfehlung und legte im Oktober 2014 fest:

PaR Karte

„Zum Pastoralen Raum im Hamburger Westen gehören die Pfarreien Maria Grün, Blankenese, und St. Marien, Altona, mit ihren Gemeinden und die Gemeinde Bruder Konrad, Osdorf und Schenefeld, der gleichnamigen Pfarrei sowie allen kirchlichen Einrichtungen und Diensten auf diesem Gebiet. Der Beginn der Entwicklung wird auf den 01.01.2015 festgelegt.“[6]

Nach Vorlage und Genehmigung eines Pastoralkonzepts im Sommer 2017 bestimmte man den 3. Juni 2018 als Termin für die Errichtung der neuen Pfarrei mit dem Namen St. Maria.[7]

Fußnoten:

[1] Bistum auf neuen Wegen. Strukturen und Aufgaben der Zukunft. Extraausgabe der Neuen Kirchenzeitung, Hamburg 2017, S. 3.

[2]PAStM, Nr. 233: Aufhebungs- und Zuweisungsdekret vom 20. September 2001. Dort auch die entsprechenden Verhandlungen sowie der Nutzungsvertrag mit der Karmelzelle.

[3] Aufhebungs- und Einpfarrungsdekret vom 15. Dezember 2006, in: KA, Nr. 12 (15. Dezember 2006), S. 132f.

[4] Gleichzeitig trennte man den Verbund zwischen St. Bruder Konrad Osdorf und St. Jakobus Lurup, die 1971 als Filialkirche von St. Bruder Konrad entstanden, 1978 getrennt und 2008 wieder zurückgekehrt war.

[5]PAStM, Akte „Pastoraler Raum“.

[6] Beschluss des Geistlichen Rates des Erzbistums Hamburg vom 7. Oktober 2014, zitiert nach: PAMGr, Akte 8.50, Chronik, Bl. 34.

[7] Informationen aus dem Pastoralen Raum im Hamburg Westen, Nr. 12 (5. Oktober 2017).

Karte PaR

Rückblick und Ausblick

Bei Gründung des neuen Erzbistums im September 1994 war es 400 Jahre her, dass Graf Adolf XIV. von Schauenburg seinen katholischen Untertanen die Erlaubnis erteilt hatte, in einem Altonaer Privathaus erstmals seit der Reformation wieder katholische Gottesdienste zu feiern. Und es lag 100 Jahre zurück, dass sich 4.000 Altonaer und Hamburger Katholiken am Millerntorplatz zu einer patriotisch gestimmten Festveranstaltung zusammengefunden hatten. Etliche der damals mit Schwung und Optimismus vorgetragenen Ziele konnten nicht oder erst mit erheblicher Verzögerung verwirklicht werden. So verlor man den Kampf für die gottgewollte Monarchie und gegen die als Rückfall in die Barbarei empfundenen Ziele der Sozialdemokratie in der Novemberrevolution des Jahres 1919.[1]  Und auch die Hoffnung, dass „die Zeit, in denen die getrennten christlichen Confessionen unter einander in confessioniellem Hader sich selbst zerfleischten, (…) vollständig und unwiederbringlich dahin sein (möge)“[2], konnte erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil an Kontur gewinnen.

Was blieb, war eine an Zahl und Bedeutung zunehmende katholische Minderheit, die nicht nur ein wachsendes Selbstbewusstsein, sondern auch eigene Organisationsstrukturen entwickelte.

Von St. Joseph, der „Mutterkirche des Nordens“ und dann von St. Marien in Ottensen ausgehend, entstanden seit den 1920er Jahren in den einzelnen Stadtteilen eigene Gemeinden, die im Laufe der Zeit ihre Eigenständigkeit erlangten.

Ursache für diesen Aufschwung war die Zuwanderung von „Fremden“, die sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Arbeitskräfte in den wirtschaftlich prosperierenden  Städten niederließen. Das Wachstum der katholischen Gemeinde in Ottensen ist wesentlich auf diesen Faktor zurückzuführen.[3]

Innerstädtische, ebenfalls wirtschaftlich induzierte „Binnenwanderungen“ führten zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Gemeindestrukturen. Während sich wohlhabende Bürger im attraktiven Blankenese (Maria Grün) niederließen, zogen Arbeiter und Angestellte in die städtischen Wohnbauten (Steenkamp-Siedlung) von Othmarschen-Bahrenfeld (St. Paulus-Augustinus), während Arbeitslose in den „Kistendörfern“ von Osdorf (St. Bruder Konrad) eine notdürftige Bleibe fanden.

Die Folgen des verlorenen Zweiten Weltkriegs erzeugten eine ganz neue Art von Zuwanderung, nämlich die der „Ostflüchtlinge“, die in den großen Lagern im Hamburger Stadtgebiet untergebracht wurden. Eines davon war das Durchgangslager in Finkenwerder, wo sich 1958 eine eigene katholische Gemeinde bildete.

„Die Kirche folgte den Gläubigen“, wie Bernd Nellessen in seiner Studie über die katholische Kirche Hamburgs im 20. Jahrhundert formuliert hat.

Parallel zu diesem Auf- und Ausbau der Gemeinden kam es auch zur Gründung übergeordneter Verwaltungsstrukturen, die einen geregelten Austausch untereinander garantierten. Für unsere fünf Gemeinden war es zum Einen das Dekanat Altona, das 1946 aus dem 1931 gegründeten Dekanat Holstein hervorgegangen war. Zum Anderen der Verband der katholischen Gemeinden in Altona, der von 1935 bis zu seinem Aufgehen im Hamburger Gesamtverband im Jahre 1963 die finanziellen Belange der angeschlossenen Gemeinden regelte.

Die künftig im Pastoralen Raum St. Maria zusammengeschlossenen Gemeinden haben also neben dem uns alle verbindenden Glauben auch gemeinsame geschichtlich/gesellschaftliche Wurzeln und Erfahrungen, die bei allen Unterschieden eine starke Basis für die Zukunft bilden.

Das Dekret des Erzbischofs vom 30. November 2017 zur Errichtung der neuen Pfarrei St. Maria verwendet im Hinblick auf die in ihr aufgehenden Pfarreien von Blankenese und Ottensen den Begriff der „Aufhebung“.[4]

In seinem dialektischen Denken benutzt der Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel die dreifache Bedeutung von „aufheben“: Zum Einen im Sinne von „beenden“ zum Anderen in der Bedeutung von „aufbewahren“ und zum Dritten im Sinne von „hinaufheben“, etwas auf eine höhere Stufe heben.

So verstanden bedingt die „Aufhebung“ der Pfarreien von Maria Grün und St. Marien zwar ihr juristisches Ende, gleichzeitig werden jedoch ihre Traditionen bewahrt und auf einer neuen, höheren Ebene, nämlich der des neuen Pastoralen Raums St. Maria fortgesetzt.


Fußnoten:

[1]Die 300jährige Jubelfeier der katholischen Gemeinde zu Altona. Festbericht, im Auftrage des Festkomitees zusammengestellt von dessen Vorsitzenden [Bernhard Stroetmann], Emsdetten 1894, S. 18, 22, u.ö.

[2] Ebda., S. 15 – der Bericht bemerkt dazu „Anhaltendes Bravo!“.

[3] Nach dem Krieg setzte sich in Ottensen diese (nicht nur katholische) Zuwanderung fort: den Italienern folgten Portugiesen und Spanier, nach 1990 vor allem Polen.

[4] Dekret über die Aufhebung von katholischen Pfarreien in Hamburg-Blankenese und Hamburg-Altona sowie über die Errichtung der katholischen Pfarrei St. Maria in Hamburg-Blankenese, in: KA, Nr. 11 (18.12.2017), S. 207ff.


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