Persönliche Gedanken von Pastor Bruns am 5. Fastensonntag zur Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang mit sexueller Gewalt im Erzbistums Köln und des Amtsverzichtes von Erzbischof Dr. Heße

Dieser Donnerstag (18.3.2021) ist schmerzhafter Tag:

Für die Opfer, die sich darin bestätigt sehen, dass ihr Leid nicht genug wahrgenommen wurde. Das ihr Leid nicht im Mittelpunkt stand. Hoffentlich ist es ein kleiner Schritt zur Gerechtigkeit.

Für die Gläubigen der kath. Kirche, die sich den Fragen von FreundenInnnen, Bekannten und Menschen am Arbeitsplatz ausgesetzt sehen und sich selbst fragen: Wieso bist du noch in einer Kirche in der so etwas passieren konnte?

Für die Laientheologen und MitarbeiterInnen in unserer Kirche, die hören müssen, das bei den Verfehlungen von Laien sehr konsequent gehandelt wurde, Priester aber geschützt wurden, um das Ansehen der Priesterschaft und der Kirche nicht zu beschädigen.

Für mich als Priester und Leiter dieser Pfarrei, dem sich auch die Frage stellt, warum er in dieser Kirche noch arbeiten soll?

Vor allem, weil ich in meiner Lebensgeschichte die Kirche anders kennengelernt und erlebt habe: Als eine Gemeinde in der vieles hinterfragt wurde; ich den Glauben als Fundament für mein Leben fand; Priester, die den Menschen zugewandt und weltoffen waren; Wo theologisch diskutiert und gestritten wurde und sich Menschen für eine bessere Welt einsetzten.
Diese Nähe Gottes zu den Menschen, wollte und will ich auch weiterhin verkünden. Ein Gott, der den Menschen liebt, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensumstände. Ein Gott, der Menschen zusammenführt und in Treue einander beistehen lässt. Und damit eine Kirche, die ein Segen für die Menschen ist.

U.a. folgende Punkte sind für mich aus dem Kölner Gutachten wichtig:

  • Es wurden Verantwortliche genannt. Auch wenn jene vielleicht nicht bewusst vertuscht oder persönliche Schuld auf sich geladen haben – sie waren verantwortlich. Daher ist der Amtsverzicht von Erzbischof Dr. Heße folgerichtig und konsequent.
  • Die Frage ist, ob wir auch in unserem Erzbistum Hamburg eine zusätzliche Untersuchung durchführen müssen, um diejenigen zu benennen, die ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind. Ohne eine lückenlose, unabhängige Aufklärung wird es keinen Neuanfang geben.
  • Das Priesterbild muss weiterentwickelt werden. Wie ist das Verhältnis zwischen dem allg. Priestertum aller Gläubigen und dem Priesteramt. Was ist seine Aufgabe.
  • Theologische Aussagen, v.a. in der Moraltheologie müssen im Licht der Wissenschaft neu bewertet werden, ohne den Kern unseres christlichen Glaubens aufzugeben. Der synodale Weg kann dafür ein Forum des Dialoges sein.

Das Gutachten hat die Zeit von 1975 bis 2018 in den Blick genommen. Vieles ist noch im Dunkeln geblieben, was nicht in den Akten vermerkt wurde.

Seit über 10 Jahren hat sich vieles in unserem Erzbistum Hamburg geändert, um sexuelle Gewalt zu verhindern. Die Präventionsstelle ist Ansprechpartner, laufende Fortbildungen für Haupt- und ehrenamtliche, eine Zusammenarbeit mit „Dunkelziffer e.V., Schutzkonzepte sind verbindlich eingeführt worden u.a. Diese Arbeit wird fortgesetzt.

Der Donnerstag war schmerzhaft. Er hat mich verwirrt, wütend gemacht und traurig. Das Gespräch darüber mit KollegenInnen und FreundenInnen war mir eine Hilfe.

Vielleicht möchten Sie mit einem der Hauptamtlichen sprechen. Dafür stehen wir zur Verfügung. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

Wolfgang Bruns, Pastor